Wie gehe ich mit Eifersucht um?
Kommen wir nun zum Knackpunkt. In unserer Kultur und den meisten anderen Kulturen scheitern die meisten Träume von Vielliebe und Polyamorie an einer scheinbar unüberwindbaren Hürde- der Eifersucht.
Viele Menschen sind der festen Auffassung: gegen Eifersucht kann man nichts machen. Sie ist ein Naturgesetz.
Wirklich?
Ich habe in meiner Studienzeit über Eifersucht geforscht und meine Diplomarbeit dem Thema ihrer Bewältigung gewidmet. Ich möchte zuerst einige Mythen über Eifersucht aufzählen und dann meine Sichtweise dazu erläutern und begründen.
Eifersucht ist ein Zeichen für Liebe
Es gehört eher zu den egoistischen Gefühlen und nicht zu den altruistischen. Meist signalisiert es, dass ich den anderen als Besitz betrachte, den ich nicht verlieren will, und ich mir unsicher bin, den Partner auch halten zu können.
Eifersucht ist angeboren
Richtig ist, dass Eifersucht zu einem geringen Prozentsatz angeboren ist und zu einem weitaus höheren Prozentsatz durch die Kultur festgelegt. Ethnologen kennen bestimmte Kulturen und Ethnien, in denen Eifersucht nur eine kleine Rolle spielt, ebenso wie Kulturen, in denen Eifersucht noch weitaus stärker ausgeprägt ist wie bei uns.
Vereinfacht gesagt stellt es sich so dar: Eifersucht in einer Gesellschaft ist desto höher, je mehr die Ehe als Besitz gewertet wird, je patriarchaler die Gesellschaft ist (also männerdominiert)
Eifersucht ist ein Gefühl
Reine Gefühle sind Wut, Angst oder Trauer. Eifersucht ist ein Komplex aus Gedanken, Gefühlen und Handlungsimpulsen. Entscheidend ist, wie die entsprechende Person die Situation bewertet – als bedrohlich für den Selbstwert und die Beziehung oder nicht?
Die Stärke der Eifersucht ist ein stabiles Merkmal des Charakters – man kann sie nicht verändern
Studien zeigen, dass Eifersucht im Laufe eines Lebens stark variiert. Je nach Partnerschaft kann sie auch anders ausgeprägt sein – wahrscheinlich kennen das die meisten von euch selbst. Aus meiner eigenen Erfahrung und der von vielen polyamoren Freundinnen und Freunden kann ich auch sagen, dass sich Eifersucht mit Sicherheit beeinflussen lässt.
Eifersucht ist nicht therapierbar
Die moderne Verhaltenstherapie lehrt, dass nahezu alle emotionalen Komplexe veränderbar sind. Man kann Höhenangst und Spinnenphobie heilen, warum nicht auch starke Eifersucht?
Eifersucht ist ein angeborener Schutz von Partnerschaften
Tatsächlich zerstört Eifersucht Partnerschaften mehr, als es sie schützt.
Und seien wir mal ehrlich, was für ein Kampfbegriff von Liebe steht denn dahinter, wenn es die Eifersucht als Drohkulisse braucht, um den Partner dran zu hindern, die Beziehung zu zerstören?
Eifersucht ist einfach fehlendes Selbstwertgefühl
So einfach ist das nicht. Studien haben herausgefunden, dass Menschen mit hohem Selbstwertgefühl, z.B. hoher Kompetenz im Beruf, dennoch sehr eifersüchtig sein können.
In einem Punkt stimmt es allerdings: Eifersucht ist ein Signal dafür, wie sehr sich jemand als geeigneter Partner fühlt, also mit der spezifischen Kompetenz in genau dieser Beziehung.
Eifersucht ist dasselbe wie Verlustangst
Das trifft zu bestimmten Teilen zu: Eifersucht ist zu anderen Teilen aber auch die Sorge, zu kurz zu kommen, das unangenehme Gefühl des Ausgeschlossenseins sowie Misstrauen gegenüber dem Partner.
Wenn die Leidenschaft groß ist, ist es auch die Eifersucht
Das scheint zu stimmen. Ebenso scheint die Eifersucht zu schrumpfen, je mehr man dem Partner vertraut. In der Regel wird die Eifersucht geringer, je länger man mit jemand zusammen ist.
Grundsätzlich, so wurde festgestellt, nimmt Eifersucht auch mit zunehmendem Alter ab.
Wir stellen also fest: Eifersucht ist nicht angeboren und kann bis zu einem gewissen Teil auch bewältigt werden. Dazu ist eine Änderung bestimmter Einstellungen ebenso nötig wie die innere Bereitschaft, sich diesem manchmal schmerzhaften Prozess auch zu stellen.
Polyamore Menschen können auch eifersüchtig sein.
Sie sind jedoch der Ansicht, dass Eifersucht nicht zur Liebe gehört.
Sie nehmen die Eifersucht nicht als Naturgesetz. Sie haben an ihrer Lebensweise so viel Freude, dass sie gelegentliche Eifersucht in Kauf nehmen. Sie sind wachstumsorientiert und wollen ihren Partnern in der Liebe mehr Freiheit lassen. So sind sie bereit, der Angst ins Gesicht zu schauen und daran zu wachsen.